Ein Zeit-Geschenk
Ein Punkt, den man heute immer wieder hört, wenn es darum geht, daß Hilfe benötigt wird, ist der Satz "Ich kann nichts geben, ich habe selber kaum genug Geld."
Nun kann man diesen Satz hinnehmen, mit den Schultern zucken und sich denken "Schade." oder man kann eventuell dem Antwortenden Tipps geben, wie man auch von wenig Geld noch immer etwas einsparen kann, das man teilen (sprich geben) kann, denn auch viele kleine Beiträge ergeben am Ende eine große Hilfe.
Doch wollen das diese Menschen überhaupt hören? Wollen sie wissen, daß es vielen noch viel schlimmer geht? Wie viele Menschen froh wären, wenn sie mit ihnen tauschen könnten, weil sie dann ein für sie unvorstellbares Luxusleben leben könnten? Nein. Sie wollen es nicht hören. Auch wollen sie nicht wissen, an welchen Stellen sie teilweise Geld mit großen Händen aus dem Fenster werfen. Sie haben es sich in ihrer "Ich bin arm" Vorstellung gemütlich gemacht und fänden es verwerflich, wenn ihnen noch ein gewisser Reichtum zugesprochen wird.
Klagen ist eine Art Volkssport geworden. Jammern eine besondere Tugend der Deutschen, die doch eigentlich eines der reichsten Völker der Erde sind! Nein, WIR haben nichts, uns geht es schlecht. Mit dem Finger wird gerne auf die gezeigt, denen es besser geht. Diese Menschen sind immer irgendwie verdächtig. Warum geht es ihnen besser? Bestimmt bereichern sie sich an anderen!
Ist Geld alleine, das, was monatlich zum Leben zur Verfügung steht, denn der einzige Messpunkt für Reichtum? Ist nicht auch der reich, der gesund ist? Der, der zufrieden ist mit dem, was er hat und nicht von Neid zerfressen wird? Der, der einen Augenblick genießen kann - und sei es "nur" ein Vöglein im Garten beim Füttern seiner Jungen zu beobachten? Der, der einen schönen Sonnenuntergang bemerkt und in sich aufnimmt? Alles das hat mit Geld nichts zu tun.
Ist der Mensch nur durch Geld ein guter Mensch? Ist unsere Menschheit wirklich nur noch von einem Fetzen Papier oder einem Stückchen Metall abhängig? Ist es nur das, was unser Leben und unsere Persönlichkeit ausmacht?
Auch ich, die Verfasserin dieser Zeilen, war einmal ein erfolgreicher Mensch! Ich hatte einen tollen Job, der gut bezahlt wurde, genoß Ansehen und liebte meine Arbeit. Doch irgendwann, ganz langsam, ganz schleichend wurde ich von dieser Arbeit zerfressen, bis es irgendwann zu einem großen Zusammenbruch kam, von dem ich mich nie wieder ganz erholen sollte. Meiner Arbeit irgendwann wieder nach zu gehen: undenkbar.
Was war ich denn nun ohne meinen Job? Menschlicher Müll? Hatte ich jetzt ohne meine erfolgreiche Tätigkeit keine Daseinsberechtigung mehr? Was war mir denn nun geblieben? Mein bisheriges Leben war in sich zusammengefallen wie ein Kartenhaus. Auch mein geliebtes Hobby wurde von heute auf morgen für mich eine unerreichbare Tätigkeit. Aus. Vorbei. Ich zerbrach noch mehr.
Ein Satz, den mir meine Mutter von Kind an mit auf den Lebensweg gegeben hatte fiel mir immer wieder ein: "Aller Reichtum, jedes Materielle kann Dir genommen werden aber nicht das, was du gelernt hast und kannst!"
Es fiel mir schwer in diesem Satz eine Zukunft zu finden. Ich konnte doch nichts mehr...
Lange Zeit war das Aufgeben für mich ein Ausweg. Doch immer wieder schaltete sich mein Kopf und meine doch positive Sicht auf die kleinen Dinge des Lebens ein. Meine Erfahrung, meine Reisen, meine Erlebnisse erinnerten mich immer wieder daran, daß ich trotz aller Verluste immer noch ein reicher Mensch war. Aber eben ein Mensch, der lernen musste ANDERS zu leben.
Allerdings fällt es sehr schwer sich mit einer anderen Art des Lebens anzufreunden, wenn man den Wechsel nicht gewollt herbeigeführt hat sondern dieser erzwungen wurde. Dann WILL man ja erst einmal nicht, daß man und sein Leben sich ändert. Es MUSS sein und das widerstrebt fast jedem Menschen. Ja, es macht auch Angst! Das was man hat, das kennt man, dort fühlt man sich relativ wohl - oder auch unwohl - aber man weiß eben, was man hat und wo man ist. Alles neue ist wie eine Gefahr. Wer mag sich schon gerne in diese begeben?
Ja, das Aufstehen war schwer. Immer wieder gab es auch Rückschläge und die gibt es bis heute. Doch es gibt nur einen Menschen, der Änderung herbeiführen kann, und das ist man selber. Man muß sich selber quasi am Schopf aus dem Sumpf herausziehen.
Erst einmal ist es wichtig, sich und sein Leben von außen zu betrachten. Was hat man alles. Schau mal als "kleines Kind aus einem afrikanischen Dorf" oder als "Mensch, der irgendwo in einem kleinen Dorf im Dschungel wohnt" auf Dich und Dein Leben.
Dann die Frage: wer ist man eigentlich? Was mag man, was nicht?
Gar nicht so einfach, sich diese Fragen immer zu beantworten und doch zeigen die Antworten am Ende, daß man ein Mensch ist, der eben etwas hat und wie dieser Mensch ist.
Wofür interessiert man sich? In meinem Fall lagen mir immer die Tiere sehr am Herzen, waren meine Hunde auch in den schlimmsten Zeiten immer bei mir und haben mir Wärme und Kraft gegeben, alleine durch ihre Anwesenheit. Sie brauchten mich! Wo wären sie wenn ich nicht mehr da wäre?
Plötzlich erkannt ich, daß ich unheimlich viel Zeit hatte! Zeit, die irgendwie lästig war, denn ich konnte sie nicht sinnvoll nutzen. Die Dinge, für die ich bisher meine Zeit genutzt hatte, konnte ich nicht mehr tun. Ich hasste die Zeit!
Doch war es nicht genau die Zeit, die mir in meinem Arbeitsleben immer gefehlt hatte? War es nicht ein Leben, in der jede Minute straff durchorganisiert war, oft zwei Dinge gleichzeitig getan wurden, alles immer nur in Hetze, routiniert, ohne einmal kurz innehalten zu können? Wo eine freundliche Frage der Bedienung am Morgen in der Bäckerei schon fast den Zeitplan durcheinander brachte?
Ja, wie viele Menschen haben Zeit! Zeit ist Geld - sagt ein Sprichwort aber Zeit ist auch ein unheimlich hohes Kapital! Etwas, für das man von vielen anderen Menschen durchaus beneidet wird!
Soll man Zeit einfach verschwenden? Wegwerfen? Ungenutzt lassen?
Ist man nicht unendlich reich, wenn man Zeit hat?
Warum wird dieses Kapital nicht viel mehr genutzt? Warum sitzen die Menschen zu Hause, langweilen sich oder "schlagen die Zeit tot", oft ohne es zu merken? Warum schenkt man nicht einfach Zeit an diejenigen, die sie brauchen?
Geht nicht? Geht doch!
Ich habe angefangen, meine Zeit für den Tierschutz zu nutzen. In allen Tierheimen, Gnadenhöfen oder Tierstationen fehlt es den Menschen an Zeit! Da kann man toll die ein oder andere Arbeit abnehmen. Egal, ob als Gassigänger der Hunde, als Pflegerin oder auch um bei einem Fest Kuchen zu backen und zu verkaufen oder vielleicht um Spenden zu sammeln. Alles Arbeiten, für die man Zeit braucht - Zeit, die viele Menschen nicht haben und die den Tieren so viel Hilfe bringt.
Aber, nicht jeder mag sich im Tierschutz engagieren. Muß ja auch nicht sein. Wie wäre es zum Beispiel, wenn man eine berufstätige Nachbarin mit Kindern hat, deren Kinder vom Kindergarten oder der Schule abzuholen? Für die Mutter wäre es eine enorme Entlastung, sie bräuchte sich nicht abhetzen, immer in der Sorge zu spät zu kommen und sie wüsste trotzdem, daß ihr Kind sicher zu Hause ankommt. Und man selber hat die Wohnung mal wieder verlassen und einen kleinen Spaziergang gemacht.
Überall fehlt es an Zeit. Egal wo man hinschaut. In Altenheimen, Pflegeeinrichtungen, Krankenhäusern sind viele Menschen, die sich über ein wenig Zeit freuen würden. Zeit, sich mit ihnen zu unterhalten oder vielleicht ein wenig in den Park zu gehen. Wie viele Menschen sind täglich ungewollt alleine? Auch der Rentner von nebenan vielleicht?
Kindern ein Märchen vorlesen, kleine Besorgungen für einen netten Menschen erledigen, seine Fähigkeiten nutzen, sei es im handwerklichen Sinne, durch Handarbeiten, in Haushaltsdingen... es gibt tausend und eine Idee, wenn man sich wirklich mal damit beschäftigt und mit offenem Ohr hinhört, wenn ein anderer Mensch bedauert, für etwas keine Zeit zu haben oder Hilfe benötigt.
Warum immer nur einen Missstand beklagen und nicht einmal nachdenken, was man selber dazu beitragen könnte, um ihn zu verändern? Nicht nur die Politik, nein WIR alle sind dafür verantwortlich, wie das Leben in unserem Land oder auf der Welt aussieht! Ob wir in einer Welt des Miteinanders leben oder uns der andere egal ist.
Nicht nur für denjenigen, dem man durch seine Zeit hilft, wird das Leben schöner, nein, auch für einen selber! Man hat eine Aufgabe! Etwas, auf das man sich freuen kann, aus dem man Kraft schöpft. Man kann so viel helfen - und das auch ganz ohne Geld!