Was war das gestern für ein Tag.
Ehrlich gesagt muß ich so einiges noch richtig verdauen.
Was täglich an Notfällen an Martina heran getragen werden mit der Bitte um Aufnahme, welche Geschichten sich ausgedacht werden, um ein Tier "loszuwerden" - es ist unglaublich.
Gestern durfte ich es wieder live miterleben. Ein Erlebnis, das uns beiden mal wieder tief unter die Haut gegangen ist. Sowohl Martina wie mir.
Doch manchmal ist es vielleicht besser wenigstens nicht sofort zu helfen. Denn nicht jede Hilfe ist am Ende auch wirklich eine Hilfe.
Was ist passiert?
Es geht "auch" um diese Hündin. Die Kleine ist ca. 4 Jahre alt und stammt aus der Perrera in Torrevieja - einer Stadt, in der viele Deutsche wohnen.
Eine ältere deutsche Frau kennt Martina durch die Tierklinik. Immer wieder einmal hat sie Martina um Aufnahme eines ihrer Hunde gebeten. So auch um Yuli (Yulchen der besseren Unterscheidung wegen, denn wir haben ja schon eine Juli im Refugio Esperanza).
Da kein Platz im Refugio frei war, hatte Martina gebeten, den Hund so lange weiter zu behalten, bis sie in eine bestehende Gruppe integriert werden kann - nach einer Ausreise.
Natürlich hat die ältere Dame keine Digitalkamera oder konnte mit dem Handy ein Foto machen. Da durch den letzten Transport etwas "Luft" geworden war, hatte Martina zugesagt in ihrem einwöchigen Urlaub den Hund abzuholen.
Das sollte gestern geschehen. Zuvor wurde Martina immer wieder angerufen und bedrängt, den Hund doch bitte zu nehmen....
Im letzten Gespräch kam dann der nächste Notfall dazu: einem Nachbarn war ein "ganz kleiner Welpe" zugelaufen, der aber vom Hund des Nachbarn attackiert wurde und der deswegen auf keinen Fall bleiben konnte.
Und dann kamen noch zwei Hunde dazu, angeblich von einer Deutschen, die dringend zurück nach Deutschland muss, in einer kleinen Wohnung wohnen wird und die Hunde nicht mitnehmen kann. Zwei "ganz kleine Hundchen" ...
Wir machten uns also gestern, nachdem wir unsere "normale Arbeit" im Refugio Esperanza erledigt hatten, auf den Weg um die Hunde abzuholen.
Yulchen war ja mehr oder weniger klar, der "ganz kleine Welpe" auch ...
Bei der Dame angekommen wurden wir freundlich gefragt, ob wir denn auch ältere Hunde im Refugio Esperanza hätten.
Der Grund der Frage zeigte sich, als das Grundstückstörchen geöffnet wurde: Die Dame hatte - trotz Rollator bzw. Gehhilfe - wieder einmal den Weg zur nahegelegenen Perrera genommen um dort wieder Hunde raus zu holen. Ein hornalter - zwar noch einigermaßen beweglicher - Rüde hat mit ihr den Heimweg angetreten. Und der sollte dann jetzt auch umziehen. Sie wollte den Hund auch an Martina "abdrücken". Sie hatte ihn ja "nur" gerettet.
Dieser Hund, der gerade die Aufregung der Perrera und den Umzug zu der Dame halbwegs verkraftet hatte, nicht kastriert, mit deutlich sichtbaren Anzeichen von Leishmaniose, mit einem Gebiss, das nur noch durch Zahnstein zusammen gehalten wurde, mit einem Herzfehler und dringend benötigter Entwässerung - dem sollte nun noch einmal ein Umzug in eine Tierstation zugemutet werden????
Die Dame gab vor, nach Deutschland zu müssen und deswegen die beiden Hunde Yulchen und den hornalten Rüden nicht behalten zu können. Warum holt sie die dann aus der Perrera raus? Nimmt ihnen die Chance dort direkt eine Familie zu finden? Gerade in Torrevieja helfen diverse Auslandsvereine und dort werden gerade kleine Hunde gut vermittelt???
Warum holt man Hude, die man eigentlich weder finanziell noch von den Lebensumständen her nehmen dürfte?
Eine schwierige Situation. Natürlich tat uns beiden der alte Rüde leid, doch uns war auch klar, daß ihm der Umzug in eine Hundegruppe im Refugio kein Gefallen wäre. Ob er den überhaupt überleben würde? So ein Umzug bedeutet für jeden Hund viel Stress - für ein altes Tier mit Herzfehler kann es keine gute Lösung sein!
Im Gespräch stellte sich auch immer mehr heraus, daß die anstehende Reise nach Deutschland wohl doch nicht - oder zumindest nicht zeitnah - stattfinden würde.....
Für den kleinen Hund war es kein optimaler Platz - aber er war bei der Dame und ihren anderen Hunden nun gerade heimisch geworden und dort in Anbetracht der Umstände immer noch am besten aufgehoben.
Auch müssen diese Menschen, die aus Mitleid Tiere aufnehmen ohne nachzudenken, lernen, daß sie dann auch für dieses Tier verantwortlich sind und es nicht nach einer mehr oder weniger langen Zeit einfach abschieben können. Immer wieder hatte diese Frau Martina schon Hunde abgegeben - immer aus einem "Notfall" heraus.
Überraschend schnell war auch keine Rede mehr von der Übernahme des alten Rüden.
Draußen stand schon der Nachbar mit dem nächsten Hund, dem "ganz kleinen Welpen", der durch seinen Hund gebissen wurde.
Der "ganz kleine Welpe" entpuppte sich als gar nicht so kleiner Junghund (die Welpenzeit hat er wohl schon hinter sich...). Natürlich ohne Chip, ohne Impfung, ohne Parasitenschutz, unkastriert.....
Wir bekamen schnell die Leine in die Hand gedrückt und weg war der Nachbar.
Yulchen und der noch namenslose Rüde wurden in Martinas Auto gesetzt.
Dann kam eine Bekannte angefahren, die die Hunde der Frau, die dringend nach Deutschland umziehen musste, brachte.
Die alte Frau murmelte nur "Hoffentlich sind es jetzt keine großen Hunde"... Hatte sie am Telefon nicht von zwei kleinen Hunden gesprochen?
Die Frau, die die Hunde brachte, war nicht die Besitzerin. Sie konnte - und wollte wohl - zu den beiden mittelgroßen Hündinnen keine Angaben machen. Die Besitzer war auch plötzlich keine Deutsche mehr sondern Spanier. Die Geschichte, die erzählt wurde wurde immer undurchsichtiger. Zwei gepflegt aussehende mittelgroße Hündinnen - unkastriert und zuletzt in 2008 bzw. 2009 geimpft standen verschüchtert vor uns.
Mir krampfte es das Herz zusammen.
Für diese Hunde hatten wir momentan weder einen Platz im Refugio noch konnten wir einfach so die Übernahme der Kosten für die nötige Kastration etc. tragen. Für jeden Hund, für Yulchen und den Rüden fallen ja auch schon hohe Kosten an. Wir müssen mit ca. 150 - 200 € für ein unkastriertes Weibchen rechnen bis es Chip, Kastration, Impfungen etc. hat.
Die Dame, die die Hunde gebracht hatte, war plötzlich doch ganz gut informiert. Zwar war sie der Meinung, dass es absolut ausreichend ist, die Rüden zu kastrieren (???) aber, der Druck des anstehenden Umzugs nach Deutschland war plötzlich nicht mehr da, die Umstände rund um die Abgabe der Hunde änderte sich in jedem Satz und es erschien plötzlich so, daß nur ein bequemer Weg gesucht worden war, die Hunde abzugeben und dabei sein Gewissen auch beruhigt zu haben.
Geben wir die zwei doch auch direkt mit dahin! Da haben sie es bestimmt gut.
Das KANN es nicht sein!
Die alte Dame erinnerte sich plötzlich auch daran, mindestens einen Kastrationsgutschein zu besitzen (!!!), den sie natürlich nie genutzt hatte - alle ihre Hunde sind unkastriert - und es war auch kein Druck mehr dahinter, daß die beiden Hunde JETZT SOFORT aus einem wirklichen Notfall heraus in eine Tierstation abgegeben werden mussten.
Fragt bitte nicht, wie Martina und ich, wir wir uns fühlten, als wir mit den beiden Hunden Yulchen und dem Rüden den Heimweg antraten.
Da die beiden Hündinnen gechippt sind, können sie nicht "einfach so" ausgesetzt werden, denn der Besitzer kann ermittelt werden. Man wollte sich wohl nur die Abgabegebühr in einer Station ersparen und bequem die Hunde los werden....
Wir sagten zu, daß wir versuchen werden die Hunde zu übernehmen, wenn sie zumindest kastriert sind oder die Kosten für die Kastration übernommen werden.
Tier abgeben - anderen die Probleme aufhalsen - um selber ein gutes Gewissen zu haben, das kann es doch nicht sein! Andere sollen die Kosten tragen, die man selber nicht bereit ist zu übernehmen. Noch nicht einmal den Kastrationsgutschein löst man selber ein!
Die Hunde zurück zu lassen - verschüchtert, weil sie doch am wenigsten verstehen, was die Menschen mit ihnen machen, das war für uns beide am Rande der Belastungsgrenze.
Doch, was passiert, wenn wir sie mitgenommen hätten?
Der hornalte Rüde wäre einem enormen Streß ausgesetzt gewesen. Stress, den er vielleicht nicht überleben würde. Und - wohin hätten wir ihn setzen sollen? Wo wäre ein Platz gewesen, der besser gewesen wäre als die letzte Zeit seines Lebens zumindest im Haus der alten Dame mit Hunden, die er nun bereits kennt, zu leben? Wir hätten keine bessere Alternative gehabt.
Die beiden Hündinnen hätten wir ebenfalls nirgendwo in eine Gruppe integrieren können. Es ist alles voll.... Wohin mit ihnen? In einen kleinen Zwinger? Wochenlang in einen der gerade freien Quarantänekäfige weil kein anderer Platz da ist?
Nein, das wäre für die Hunde, die es gewohnt sind im Haus zu leben, mit ihren Menschen zusammen, wirklich keine Lösung gewesen. So schwer es war - wir haben sie lieber bei ihren Menschen gelassen, da der angebliche Druck der der Grund der Abgabe sein sollte, ja gar nicht existierte.
Geschichten waren erfunden worden um uns die Tiere als Notfälle aufzutischen.
An die Tiere hat man dabei am wenigsten gedacht. Wir haben versucht für sie die - wenigstens bis zum nächsten freuen Platz - beste Lösung zu finden.
Schlecht ging es uns trotzdem..... Bis heute....
Zurück im Refugio Esperanza wurden Yulchen und der Rüde erst einmal mit Entwurmung und Anti-Parasitenprodukten versorgt.
Beide werden nun geimpft und kastriert werden, der Rüde bekommt einen Chip - und wir schauen, in welche bestehenden Gruppen wir die Hunde integrieren können.
Der Tierschutz ist mal wieder für das zuständig, was andere Menschen gewissenlos anrichten. Die Kosten tragen die Tierschützer. Diejenigen, die eigentlich nur dann Tiere aufnehmen, wenn sie auch Platz für diese haben. Diejenigen, die ohnehin ihr gesamtes Geld in die Notfelle stecken.
Vielleicht helft ihr uns dabei, einige Kosten abzudecken. Vielleicht helft ihr uns, für die Hunde ein gutes zu Hause zu finden. Ein zu Hause, das verantwortungsbewusster mit dem Leben eines Tieres umgeht...
Beide Hunde werden (sobald sie ausreisefertig sind) - wie auch die anderen Hunde im Refugio Esperanza - vom Verein Tierische Lichtblicke eV nach Deutschland vermittelt.
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